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Verursachungszuschreibungen

Die folgende schematische Einteilung bei der Verursachungserfassung von Traumata findet sich bei MAERCKER (2003) und FISCHER & RIEDESSER (2009). Es ergibt sich folgende Matrix:
Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass die Typ-2 Traumata eher zur Chronifizierung und stärkeren Beeinträchtigung des Lebens neigen als die des Typ-1.

nach Verursachung

Dauer der Einwirkung

Menschlich verursachte Traumataman made desaster
  • Gewalt – familiäre, an Kindern, an PartnerInnen
  • Misshandlungen, sexuelle Übergriffe
  • Krieg, Verfolgung, Folter und Deportation etc.;
  • Holocaust – Gulag etc.
Typ -I Trauma: kurze Dauer
  • Bedrohungsgrad: akut
  • Unfälle
  • technische Katastrophen
  • Naturkatastrophen
  • Gewalttaten wie Banküberfall, Rauferei, Schießerei
Naturgegeben und zufällig
  • Unfälle – Berufsbedingt (Bauarbeiter, Bergwerk, Feuerwehrleute, Polizisten etc.)
  • Technische Katastrophen
  • Arbeitsunfälle
  • Unfälle – zufällig (Auto, Flugzeug)
  • Naturkatastrophen
Typ -II Trauma: lange Dauer
  • Bedrohungsgrad: länger
  • Krieg, Gefangenschaft, Folter etc.
  • KZ, Gulag etc.
  • wiederholter Missbrauch oder körperliche Gewalteinwirkung

Traumaqualität

Die Traumaqualität ist abhängig von der Dauer, der Intensität, dem Überraschungseffekt, dem Grad an Bekanntheit und dem Verursacher.
Hoch ist es vor allem, wenn das Trauma
-unerwartet (fast jedes Trauma) ist
-neuartig respektive unbekannt ist
-der Mensch sich in einer offenen Grundhaltung (freudige Erwartung, Unbeschwertheit, vermeintliche Sicherheit) befindet
Das auch vermeintlich schöne Momente einen hohen Belastungsgrad aufweisen, zeigte ZIMBARDO schon vor mehr 25 Jahren in seinem Lehrbuch der Psychologie.

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Komplexe Traumatisierung

Die Begrifflichkeit der komplexen posttraumatischen Belastungsstörung geht auf die amerikanischen Traumaforscherin Judith HERMAN (vgl. Sack, 2011) zurück. Dabei sind langanhaltende und massive Traumatisierungen, die von Menschen verursacht worden, gemeint.
Der Vorschlag einer Expertenkommission (mit Bessel van der KOLK) die komplexe Traumatisierung unter der Kurzform DESNOS (Disorders of Extreme Stress Not Otherwise Specified) im DSM zu verankern gelang nicht. Die Überschneidung mit anderen Erscheinungsformen vor dem Hintergrund ist groß, seien es Persönlichkeitsstörungen, sei es PTBS etc.

Im angloamerikanischen Raum ist DESNOS das Äquivalent für eine komplexe Traumatisierung,
Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung werden meist der DESNOS Diagnose zugeordnet.

Sequentielle Traumatisierung

KEILSON (1979) bringt einen wesentlichen und neuen Aspekt und nimmt die psychosoziale Umwelt in seiner Betrachtung von Traumatisierungsprozessen auf; er nimmt Abstand von einfachen kausal-logischen Betrachtungen.
Vor allem ist die Erkenntnis, dass ein traumatisches Ereignis nicht die Folgen bzw. die Verarbeitung bewirkt neu. KEILSON konnte zeigen, dass die einem traumatischen Ereignis nachfolgenden Gegeben-heiten mindestens genauso wichtig sind wenn nicht wichtiger!

Anhand einer groß angelegten Follow-Up (Longitudinal) Studie konnte er an jüdischen Waisenkindern der besetzten Niederlande zeigen, dass vergleichbare „traumatische“ Ereignisse ein völlig anders gear¬tetes Schicksal nehmen kann – bei vergleichbarem Ausgangsgeschehen.
KEILSON extrahiert in seiner Untersuchung drei traumatische Sequenzen:
1. Besetzung der Niederlande durch die Nazis,
2. Konkrete Verfolgung der jüdischen Bürger, Trennung der Familien; Aufenthalt in Verstecken bei Familien; Aufenthalt in Konzentrationslagern
3. Nachkriegsperiode – Vormundschaftszuweisungen mit teilweisen Wechsel der Pflegefamilien
Entscheidend für das weitere Entwicklungsgeschehens der Kinder – im Sinne einer beginnenden Verarbeitung – ist die 3. Phase (vgl. LENNERZT, 2006, S. 92; BECKER, 2006, S. 188 ff).

Wenn die Unterbringungsbedingungen nach der Verfolgung nachteilig ausfielen, dann wirkte sich dieser Umstand maligner aus als vergleichsweise schwerere Verfolgungsumstände bei besserer nachfolgender Versorgung.
Die Zentrale Wende ist die Fokusverlegung vom Beginn eines Traumas auf das Ende hin! Was KEILSON aufwirft ist die Frage und Neuuntersuchung des Endes eines Traumas – und ob ein solches in erwarteter Weise geben kann; die Antwort liegt auf der Hand.
Das Modell von KEILSON ist sozialpolitisch von Relevanz, wenn Kriegsflüchtlinge, Menschen aus Krisen¬gebieten, politische Flüchtlinge etc. eine besondere nachfolgende Betreuung bedürfen, die mit eben dieser Studie argumentiert werden kann. Die einem Krieg nachfolgende Versorgung von Veteranen ist der Angelpunkt, der Pivot, der den Begriff Trauma aus seinem ursprünglich ereigniszentrierten Fokus entlässt. Die soziale Eingliederung und kollektive Verarbeitung sind Schlüsselpunkte, die eine Politik im Umgang mit Trauma fordern.

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Link zum ICD-10 in der HTML Version zur PTSD bzw. PTBS