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Diagnostik und Diagnosekataloge im Kontext von Trauma und Traumafolgestörungen

ICD-10

Für Europa ist der ICD-10 das ausschlaggebende Manual für Diagnostik und Verrechnung mit den Sozialversicherungsträgern.
Dabei wird das traumatische Geschehen im Abschnitt F 43.x behandelt und damit unter die Neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen eingegliedert.

Der Katalog unterscheidet grundsätzlich

F43.0; akute Krisen wie die einer Belastungsreaktion bzw. einem psychischem Schock

dazu zählen neben den Belastungsreaktionen auch der psychische Schock und die Kriegsneurose
in der letzten Zeile wird allerdings empfohlen, die Diagnose bei zu langer Dauer der Symptome zu verändern

F43.1; die Posttraumatische Belastungsstörung

Im Abschnitt der Persönlichkeitsstörungen (F 60.x) wird den persönlichkeitsverändernden Faktoren einer massiven traumatischen Belastung Rechnung getragen: Ist unter F43.1 von Folter und Geiselhaft nichts zu lesen, dann wird dem Grauen hier Raum gegeben; die Folgen werden als irreversibel und persönlichkeitsverändernd bezeichnet – ihre Auswirkungen auf den Alltag im Sinne von Beziehungsgestaltungen etc. wird benannt.

Zumindest anerkennt dieser Katalog Umstände, die zeitlich überdauernd und die menschlichen Struktur verändernd sind – ob die Zuordnung zur Persönlichkeitsstörung passend ist mag diskutabel bleiben.
In Bezug auf die Bindungsstörungen und deren traumatischen Folgen sei auf die Gruppe F94 verwiesen mit den Störungen sozialer Funktionen mit Beginn in der Kindheit, der reaktive Bindungsstörung und der Bindungsstörung mit Enthemmung.

DSM IV

Um die Diagnose PTSD stellen zu dürfen müssen alle Kriterien erfüllt sein
Die diagnostischen Kriterien für die Posttraumatische Belastungsstörung nach DSM-IV von 1996 (309.81)
A. Die Person wurde mit einem traumatischen Ereignis konfrontiert, bei dem die beiden folgenden Kriterien vorhanden waren:
1. Die Person erlebte, beobachtete oder war mit einem oder mehreren Ereignissen konfrontiert, die tatsächlich oder drohenden Tod oder ernsthafte Verletzung oder eine Gefahr der körperlichen Unversehrtheit der eigenen Person oder anderer Personen beinhalteten.
2. Die Reaktion der Person umfasste intensive Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen.

B. Das traumatische Ereignis wird beharrlich auf mindestens eine der folgenden Weisen wiedererlebt:
1. Wiederkehrende und eindringliche belastende Erinnerungen an das Ereignis, die Bilder, Gedanke oder Wahrnehmung umfassen können.
2. Wiederkehrende, belastende Träume von dem Ereignis.
3. Handeln oder Fühlen, als ob das traumatische Ereignis wiederkehrt (beinhaltet das Gefühl, das Ereignis wiederzuerleben, Illusionen, Halluzinationen und dissoziative Flashback Episoden, einschließlich solcher, die beim Aufwachen oder bei Intoxikationen auftreten).
4. Intensive psychische Belastung bei der Konfrontation mit internalen oder externalen Hinweisreizen, die einen Aspekt des traumatischen Ereignisses symbolisieren oder an Aspekte desselben erinnern.
5. Körperliche Reaktionen bei der Konfrontation mit internalen oder externalen Hinweisreizen, die einen Aspekt des traumatischen Ereignisses symbolisieren oder an Aspekte desselben erinnern.

C. Anhaltende Vermeidung von Reizen, die mit dem Trauma verbunden sind, oder eine Abflachung der allgemeinen Reagibilität (vor dem Trauma nicht vorhanden).
Mindestens drei der folgenden Symptome liegen vor:
1. Bewusstes Vermeiden von Gedanken, Gefühlen oder Gesprächen, die mit dem Trauma in Verbindung stehen.
2. Bewusstes Vermeiden von Aktivitäten, Orten von Menschen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen.
3. Unfähigkeit, einen wichtigen Aspekt des Traumas zu erinnern.
4. Deutlich vermindertes Interesse oder Teilnahmen an wichtigen Aktivitäten.
5. Gefühl der Losgelöstheit und Fremdheit von anderen.
6. Eingeschränkte Bandbreite des Affekts (z.B. Unfähigkeit, zärtliche Gefühle zu empfinden).
7. Gefühl einer eingeschränkten Zukunft (z.B. erwartet nicht, Karriere, Ehe, Kinder oder normal langes Leben zu haben).

D. Anhaltende Symptome erhöhten Arousals (vor dem Trauma nicht vorhanden).
1. Schwierigkeiten, ein- oder durchzuschlafen.
2. Reizbarkeit und Wutausbrüche.
3. Konzentrationsschwierigkeiten.
4. Übermäßige Wachsamkeit (Hypervigilanz).
5. Übertriebene Schreckreaktionen.
6. E. Das Störungsbild (Symptome unter Kriterium B, C und D) länger als 1 Monat.
7. F. Das Störungsbild verursacht in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.

E. Das Störungsbild dauert länger als ein Monat (B, C, D)
F. Das Störungsbild verursacht in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen
Bestimme, ob:
Akut: wenn die Symptome weniger als 3 Monate andauern.
Chronisch: wenn die Symptome mehr als 3 Monate andauern.
Bestimme, ob:
Mit verzögertem Beginn: Wenn der Beginn der Symptome mindestens 6 Monate nach dem Belastungsfaktor liegt.

Als raschen Überblick im Vergleich zwischen den beiden Katalogen gestatte ich mir eine Auflistung aus der Dissertation von Sefik TAGAY (2004) anzuführen:

Kriterien zu DSM-IV (309.81)
(American Psychiatric Association, 15) ICD-10 (F43.1)
(WHO, 16)
Traumatisierung A 1: Ereignis, das schwere körperliche Verletzung, tatsächlichen oder möglichen Tod oder eine Bedrohung der physischen Integrität der eigenen Person oder anderer Personen beinhaltet
A 2: Subjektive Reaktion mit intensiver Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen belastendes Ereignis oder eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophen-artigen Ausmaßes
Bedingung ist, dass das Ereignis bei fast jedem eine tiefe Verstörung hervorrufen würde
Hinreichenden Symptomen Vorliegen von Symptomen aus den Bereichen
B: Intrusion (mind. 1)
C: Vermeidung/emotionale Taubheit (mind. 3)
D: Autonome Übererregung (mind. 2) Wiederholte, unausweichliche Erinnerungen oder Wiederinszenierung des Ereignisses in Gedächtnis, Tagträu-men oder Träumen in Zusammenhang mit einem traumatischen Ereignis
Beginn der Störung E: Keine Beschränkung
Spezifikation des verzögerten Beginns, wenn die Symptomatik ab 6 Monate nach dem Trauma einsetzt innerhalb von 6 Monaten nach dem Trauma
Dauer der Störung E: mindestens 4 Wochen keine Angaben
Beeinträchtigung durch Störung F: durch Symptomatik bedingte klinisch bedeutsame Beeinträchtigung in wichtigen Lebensbereichen keine Angaben